Wie der SK Ricklingen von einer rätselhaften Krankheit
befallen wurde - eine Spurensuche
Der Schachspieler hat ja etwas vom antiken Sisyhos. Das war der
alte Grieche, für den sich die Götter eine besonders fiese Strafe ausgedacht
hatten: er musste einen Stein den Berg hinaufrollen, der aber unglücklicherweise
kurz vor dem Gipfel stets wieder nach unten rollte. Sisyphos musste seinen
Versuch trotzdem immer wiederholen. So ähnlich ergeht es auch dem
Schachspieler, wenn er sich mit Taktikübungen beschäftigt, um ein für alle
Mal auszuschließen, dass er wichtige Gewinnzüge in wichtigen Partien übersieht.
Und dem es dann trotzdem passiert, dass er einen sofortigen Sieg verpasst.
Natürlich kann das eigentlich nicht sein. Und wenn es in einem
Verein gehäuft auftritt, schon gar nicht. Das Schicksal wollte es, dass gleich drei Akteure des SK
Ricklingen binnen kurzer Zeit in Turnierpartien ein zweizügiges Matt übersehen
haben, mit unterschiedlichen Folgen. Zwei dieser Unfälle ereigneten sich bei
der Landeseinzelmeisterschaft 2019.
Was passierte? Fangen wir bei unserem Jugendwart an, in der Spielstärke
vereinsintern eher am unteren Rand der Hierarchie angesiedelt. In der ersten
Runde der Landeseinzelmeisterschaft war ihm das Glück hold. Sein Gegner, der
ihm vor der Partie noch von seinen letzten Siegen berichtet hatte („drei
Mannschaftskämpfe, drei Punkte – Turnier in Groningen mit Elo-Performance 1900
gespielt“), tat mit Weiß alles dafür, dass unser Mann ein Erfolgserlebnis
bekam. Es kam zu dieser Stellung:
(zum Partiefragment: aufs Brett klicken)
Dies ereignete sich in der ersten Runde der Meisterschaft.
Möglicherweise erfasste die Krankheit hier den nächsten Ricklinger. Denn dass der Jugendwart
so von partieller Schachblindheit erfasst
war, ist die naheliegenste Erklärung dafür, dass sich auch unser Jungstar an dieser
Krankheit infizierte. Kommen wir damit zu Fall zwei:
Auch hier blieb die Schachblindheit folgenlos.
Zum Glück, denn so kam Jan bei der Landeseinzelmeisterschaft aufs Treppchen,
auf Platz drei. Ein historisches Ergebnis für uns als Verein, denn da stand, so
lange wir zurückdenken können, noch kein Ricklinger. Und für uns gewöhnliche Sterbliche hat es ja auch etwas
Beruhigendes, dass ein 13jähriger, der sonst Unglaubliches sieht, auch mal
etwas übersieht.
Doch wo kommt die Fehlsichtigkeit beim "Matt in 2"
eigentlich her? Das lässt sich zur Zeit nicht genau eruieren, aber es scheint
so, als hätte der Präsi die Krankheit eingeschleppt. Er ist jedenfalls der erste
dokumentierte Fall, bei dem sie ausbrach. Und infiziert hat er sich offenbar bei
einem seiner Ausflüge in die Welt der Alten, bei der Senioren-WM letztes Jahr
in Bled. Das Unglückliche in seinem Fall: während beim Jugendwart der Ausbruch
sadistische Züge annahm - der Gegner wurde noch 13 weitere Züge gequält in
chancenloser Stellung - war im Fall des Präsi eher Masochismus als Nebensymptom
zu diagnostizieren. Er selbst kam nämlich nicht so ungeschoren davon, wie die
beiden anderen Erkrankten.
Überlassen wir dem Präsi selbst die Schilderung, was ihm widerfahren
ist. Wir steigen ein im Mittelspiel in dieser Stellung:
Drei elegant geführte Partien, in denen es zu drei
Reinfällen kam, die nur in zwei Fällen glimpflich endeten - das ist eine
Serie, die zu denken gibt. Die Krankheit ist diagnostiziert, die bedrohliche
Frage lautet: wen im SK Ricklingen trifft sie als nächsten? Und welche Therapie
gibt es? Setzen wir darauf, dass wir beim nächsten Mannschaftskampf unsere
Gegner infizieren und selbst Heilung erfahren - damit die Punkte künftig beim
SK Ricklingen bleiben.
Doch kaum haben wir das geschrieben, müssen wir bei unserem
Vereinsabend feststellen: die Krankheit breitet sich weiter aus. Im vierten
Schnellschachturnier der Saison gibt es in der letzten Runde ein weiteres Opfer zu beklagen. Das
Furchtbare: die Symptome werden schlimmer. Unser Präsi Thomas Spiess wurde
Augenzeuge und schildert die Ereignisse:
(zur Partie aufs Brett klicken)
Doch das war's noch nicht. Beim Blitz-Turnier eine Woche
später, trat das Virus wieder auf. In zwei Fällen übersah erst der
Verteidiger, was ihm drohte - anschließend nutzte der Angreifer die Chance
nicht. Im ersten Beispiel startet der Angreifer wenigstens die richtige
Kombination, übersieht dann aber das sofortige Matt - was am Ausgang der Partie
aber nichts ändert.
(zur Partie aufs Brett klicken)
Im zweiten Beispiel hat das Übersehen des Matt-in-Zwei
drastischere Folgen: der sichere Sieg zerschmilzt zu einem Unentschieden:
(zur Partie aufs Brett klicken)
Diese erneuten Infektionen lassen vermutlich nur einen Schluss zu -
Fortsetzung folgt !
In der Tat, die Prophezeiung hat sich schnell bewahrheitet. In der vierten
Runde unserer Vereinsmeisterschaft
übersahen gleich beide Spieler ein Matt-in-Zwei-Motiv:
(zur Partie aufs Brett klicken)