4.
Schach-Mannschafts-Weltmeisterschaft für Senioren 50+
in
Radebeul vom 26.06.2016 – 04.07.2016
Zwei Mitglieder des
SK Ricklingen – Peter Dellos und Thomas Spiess – haben
gemeinsam mit zwei Berliner Schachfreunden als Team HannoBer an der
4er-Mannschaftsweltmeisterschaft für Schachspieler über 50 Jahre
teilgenommen. Diese fand in Radebeul vom 26.06.2016 – 04.07.2016 statt.
Team HannoBer
belegte mit einem ELO-Schnitt von 1980 in der Startrangliste Rang 44 von 58
Mannschaften. Titelambitionen hatte man daher nicht, aber ein ordentliches
Ergebnis wollte man schon erreichen. Dazu mußten 9 Runden absolviert werden.
Titelfavoriten auf den Weltmeistertitel waren die Mannschaften aus Deutschland,
Armenien, England und Island, jeweils mit einem ELO-Schnitt so um die 2500.
1. Runde gegen Werder Bremen (ELO-Durchschnitt
2182):
Da wir in der
Startrangliste in der unteren Hälfte rangieren, verlangt niemand von uns in
Runde 1 einen Sieg. Gegen Werder Bremen müssen wir Brett 1 kampflos freilassen,
da Ralf-Axel noch in der Schweiz einen Mannschaftskampf bestreiten muss. Und es
sieht auch nach 2 Stunden nicht nach einer Überraschung aus. In der Partie
Rust-Lux gegen Spiess kann ich mich ausgangs einer langen Theorievariante nicht
an die Pläne erinnern und muss frühzeitig improvisieren. Was prompt schiefgeht
und zu einer Schrottstellung führt. An Brett 3 und 4 sehen die Stellungen zwar
etwas gedrückt, aber haltbar aus. Beim Gang zum Getränketresen, gestehe ich
meinen Kameraden, dass sie heute nicht auf mich rechnen können. Doch dann
passiert das, was in unserer Spielklasse so häufig vorkommt. In sehr
vorteilhafter Position opfert Weiss eine Figur und läßt eine Qualle
herumstehen. Nicht notwendig, aber auch noch nicht der Verlust. Aber jetzt wird
wieder gekämpft. Die weiße Dame kann einen Haufen Schachs geben und ein paar
Bauern und eine Figur einsammeln. Aber es ist kein Matt in Sicht. Und nachdem
der schwarze König eine Weile auf der Grundreihe herumgetanzt ist, kommen auf
einmal die schwarzen Figuren zurück ins Leben. Zum Schluß besiegelt der Zug
Dame a7 nach d4 das weiße Schicksal. Die zentralisierte Dame deckt alle
Drohungen und Schwarz kann einen überraschenden Punkt machen.
An Brett 3 erkämpft
Michael Hoffmann ein unspektakuläres Remis gegen einen Gegner mit ELO 2200. Was
ist an Brett 4? Ist eine Überraschung möglich? Aus komischer Eröffnungsbehandlung
von Peter Dellos erkämpft dieser sich eine etwas gedrückte, aber haltbare
Stellung. Doch in Reichweite einer Erstrundenüberraschung flattern die
Nerven, ein paar passive Züge zu viel und zwei Bauern sind futsch. Das läßt
sich auch nach fragwürdiger Endspielbehandlung des Bremers nicht mehr
reparieren.
Endstand 1,5 –
2,5, Tabellenplatz 36, 0 : 2 Mannschaftspunkte
Beim Unterschreiben
des Formulars brubbele ich in Richtung Stephan Buchal, Team-Captain der Bremer,
der wegen seines kampflosen Punkts stundenlang zuschauen mußte: „Na, dann ist
ja alles wieder im Lot“ worauf der freundlich antwortet: „Ja, schon, aber
soviel Aufregung wollte ich in der 1. Runde eigentlich noch nicht haben!“.
Naja, wenigstens ein kleines Lob zur Aufmunterung.
2. Runde gegen Grün-Weiss Dresden (2068):
Das Schweizer-System
beschert uns eine weitere Mannschaft mit höherem ELO-Schnitt.
Allerdings sind die so frech Ihr erstes Brett pausieren zu lassen und
setzen Ihren Ersatzmann ein. Das läßt meine Eröffnungsvorbereitung platzen,
aber immerhin kommt eine Holländisch-Variante, die ich ganz gut kenne. An Brett
1 spielt Ralf-Axel trotz Reisestrapazen (ausgebuchter Nachtzug von Basel nach
Dresden) eine starke Partie. In einem Chebanenko-Slawen kennt der Gegner nicht
die kritischen Varianten und driftet allmählich in eine schlechte Stellung.
Allerdings hat Michael Hoffmann heute seinen rabenschwarzen Tag und misshandelt
eine aussichtsreiche Stellung aus einem Richter-Weressow. Nach einem Qualitätsopfer
auf f6 gibt es keinen Gegenangriff und Schwarz kann direkt aufgeben. Schade, da
wäre mehr drin gewesen. Aber an Brett 1 und 2 stehen wir gut, und auch an Brett
4 ist es ausgesprochen unübersichtlich, so dass noch alles möglich erscheint.
Doch es soll noch nicht sein. Nachdem ich das ganze schwarze Spiel abgewürgt
habe und Schwarz sich mit Kh7 komisch aufgestellt hat, begreife ich, dass die
Stellung mit e4 geöffnet werden muss. Ja, schon, aber nicht sofort. Erst muss
umgruppiert und Bauer c4 gedeckt werden. Ich sehe die Konsequenzen der dreizügigen
Schlagfolge nicht und büße ersatzlos den wichtigsten Bauern ein. Davon erhole
ich mich nicht mehr, auch wenn selbst das Turmendspiel mit Minusbauer kurz vor
Schluß noch immer remislich aussieht. Schade.
Ralf-Axel investiert
nach der Zeitkontrolle seine restliche Bedenkzeit und schiebt dann das Endspiel
sicher nach Hause. Das war überzeugend. Bei Peter an Brett 4 wogt das
Schlachtenglück mehrmals hin und her. Letztendlich bleibt ein kompliziertes
aber remisliches Endspiel über, in dem keiner mehr einen Fehler begeht.
Endstand 1,5 – 2,5, Tabellenplatz 52, 0 : 4 Mannschaftspunkte
Heute haben wir Grund uns zu ärgern, da wir lange mithalten konnten und
deutlich mehr drin war. Auch ein Mannschaftssieg war möglich.
3. Runde gegen Mongolei (1939):
Gegen eine
Frauenmannschaft. Wir sind das erste Mal leicht favorisiert. Und wenn heute kein
Punkt gewonnen wird, dann droht das Freilos. Das wollen wir unbedingt vermeiden.
Letztes Jahr haben
uns noch 4 Russinnen eine Abreibung verpaßt. Allerdings sind die Mongolinnen
schachlich nicht das gleiche Kaliber. Dafür sind sie viel freundlicher. Und für
Peter ist es sowieso kein Unterschied, da Kommunikation nur auf Russisch möglich
ist. Peter Dellos fährt als Übersetzer frühzeitig zu Höchstform auf. Auf
beiden Seiten wird mit Händen und Füssen nett geplaudert, bevor es los geht.
Ralf-Axel überfährt
seine Gegnerin bereits in der Eröffnung und läßt auch keine Luft mehr hinein.
Eine weitere souveräne Vorstellung von unserem Spitzenbrett. An Brett 2 will
ich es nachmachen und vermeide eine remisliche Variante. Allerdings schmeckt der
gefressene Bauer überhaupt nicht und ich muss zum zweiten Mal meine
Mannschaftskameraden informieren, dass ich auf Abriss stehe. Michael an Brett 3
testet die Kenntnisse der Mongolin in einem Colle-Zuckertort. Diese wählt eine
komische Aufstellung, aber es scheint alles zu halten. Schnell tauschen sich
fast alle Figuren und in dem Endspiel mit ungleichen Läufern ist überhaupt
nichts los. Remis. Auch bei Peter an Brett 4 entsteht schnell eine remisliche
Stellung.
Also Zwischenstand
2-1 und der Mannschaftskampf wird an meinem Brett entschieden, wobei mir ein
remis reichen würde. Allerdings ist meine Stellung so unter Druck, dass ich es
mir spare remis anzubieten, dass ja wegen des Mannschaftsergebnisses von der
Mongolin sowieso nicht angenommen werden darf. Also kämpfen. Und tatsächlich
habe ich zum 2. Mal in einer Verteidigungsstellung Glück, dass meine Gegner
nicht die richtigen Fortsetzungen finden. Ich nehme das angebotene Material
alles weg, gebe es irgendwann unter günstigen Umständen wieder zurück und
wickele letztendlich in ein gewonnenes Turmendspiel ab. Ich freue mich über
meinen zweiten Sieg und über unseren ersten Mannschaftssieg auf dieser WM.
Allerdings haut mir die Computerengine zu Hause alle Varianten um die Ohren und
ich beschließe mein Glück in den nächsten Runden nicht nochmal in dieser Form
zu strapazieren.
Endstand 3 – 1, Tabellenplatz 44, 2 : 4 Mannschaftspunkte
Die Freude über den
ersten Mannschaftssieg ist groß. Das Freilos ist verscheucht, das Wetter gut
und am Abend genießen wir die Sonnenstrahlen auf unserer Terrasse.
4. Runde gegen Störtebecker (2038)
Vier Norddeutsche
aus vier verschiedenen Vereinen und Städten, deren verbindende Gemeinsamkeit
ein Pirat sein soll. Zumindest haben beide Mannschaften gemein, dass vor
Partiebeginn zunächst die Namensgebung erläutert werden muss.
Gegen das erste
Brett der Piraten habe ich im November auf der Einzel-Weltmeisterschaft in Acqui
Terme gespielt und verloren. Allerdings lag es nicht an der Eröffnung.
Ralf-Axel beschließt, die gleiche Variante zu spielen und die gegnerische
Vorbereitung auszutesten. Der weicht allerdings ab – also doch etwas gelernt.
Aber die entstehende Stellung sieht nur gleich aus. Ralf-Axel macht Druck, und
in den taktischen Verwicklungen greift der Pirat auch schnell fehl. Die dritte
richtig starke Leistung von unserem 1. Brett. Bei mir kommt Königsindisch,
allerdings nicht das von mir erhoffte Mar del Plata, sondern eine ziemlich
ausgeglichene Abtauschvariante. Ich versuche noch lange etwas herauszuquetschen,
aber es reicht nicht. Remis.
Michael bekommt
einen Anti-Moskauer. Das habe ich bei Ihm schon häufig gesehen und ich bin
zuversichtlich, dass er sich darin zurechtfindet. Allerdings ist die Stellung
kompliziert und als der Gegner remis anbietet sehr unübersichtlich. Da der
Mannschaftskampf gut steht, nimmt Michael an. An Brett 4 spielt Peter seinen
ersten Keres-Angriff gegen einen Paulsen-Sizilianer. Das gilt bei mir als Männerschach.
Allerdings reichte die Vorbereitung nicht aus, das Stellungsgefühl so zu
schulen, dass sich Peter zurechtfindet. Mit einer tollen Kombination gewinnt der
Gegner einen Bauern und später auch die Partie.
2 – 2, Tabellenplatz 42, 3 : 5 Mannschaftspunkte
Damit sind heute
alle zufrieden. Und wir sind damit erstmal für einige Runden außer Reichweite
des gefürchteten Freiloses. Und wir genießen einen weiteren sonnigen Nachmittag
auf der Terrasse unseres Ferienappartements.
5. Runde gegen Heidenau (1989)
Gegen Heidenau haben
wir bereits in 2015 gespielt und einige Namen kommen uns bekannt vor. Mein
Gegner aus 2015 spielt jetzt allerdings an Brett 4, was auf eine stärkere
Mannschaft hindeutet. Aber vom ELO-Schnitt sind beide Mannschaften gleichwertig,
also wird gekämpft. An Brett 1 und 3, an denen wir Weiß haben, sieht es recht
schnell sehr gut aus, da sich die Heidenauer mit Schwarz mit einem Philidor und
einem Königsinder ziemlich passiv aufstellen. An unseren Schwarzbrettern stehen
wir zunächst gedrückt, aber auch noch recht sicher. An Brett 4 läßt sich
Peter einen Doppelbauern auf der e-Linie machen, um den gefährlichen weissen Läufer
abtauschen zu können. Der Rest der Mannschaft befürchtet ein langes Leiden und
rät dazu ein Remisangebot anzunehmen, da die verbleibenden Partien so aussehen,
als ob es kein Problem sein dürfte, noch 2 aus 3 nachzulegen, um den
Mannschaftskampf zu gewinnen.
Aber damit beginnt
das Elend. Zwar gewinnt Ralf-Axel den Königsinder tatsächlich, aber Michael an
Brett 3 sucht zwanghaft nach einem Totschlag und kann ihn nicht finden. Erst
wird eine vorteilhafte Abwicklung übersehen, dann ergibt sich eine
Druckstellung, in der es nach Taktik riecht. Der wünschenswerte Einschlag
scheitert wegen einer Grundlinienschwäche im weißen Lager. Die Alternative
verliert quasi sofort. In der Analyse zeigt die engine, dass nach dem richtigen
taktischen Einschlag alles mit Schach erfolgt und Schwarz eine Figur gewinnt.
Eigentlich alles ganz einfach, wenn man alle Zwangszüge in Zeitnot durchrechnen
könnte.
Also erfolgt die
Entscheidung an Brett 2. Schon wieder. Dort nimmt das Drama aber einen noch
schlimmeren Verlauf als an Brett 3. Bei einem remis ist es wenigstens ein 2:2,
bei einem Sieg sogar ein Mannschaftssieg. Ein frühes Remisangebot in gedrückter
schwarzer Stellung wurde schroff zurückgewiesen. Allerdings kommen die
schwarzen Figuren immer besser ins Spiel, bis auf f4 ein Einschlag droht. Kann
man auf f4 nehmen? Was wenn Weiss nicht schlägt, sondern selbst den Druck auf
der f-Linie mit Le3 erhöht? Schwarz erkennt nicht, dass einfach Df4: geht. In
der Folge verflüchtigt sich der schwarze Vorteil und in Zeitnot stellt Schwarz
die gesamte Partie ein. Ein rabenschwarzer Tag nimmt sein Ende. An Brett 2 und 3
waren zwei volle Punkte möglich. In der Score-Karte stehen aber zwei Nullen.
Bitter.
1,5 – 2,5
Tabellenplatz 50, 3 : 7 Mannschaftspunkte
6. Runde gegen Norway mix (1837)
Noch ein Gegner,
gegen den wir bereits in 2015 Erfahrungen sammeln konnten. An Brett 4 spielt
Peter gegen den gleichen Gegner wie bereits im Jahr zuvor. An Brett 1 sind die
ELO-Zahlen ungefähr gleich, an allen übrigen Brettern haben wir leichte
Vorteile. Da wir mittlerweile wieder in der letzten Reihe sitzen, ist ein Sieg
Pflicht, wenn wir dem Freilos nochmal entkommen wollen.
Im Vergleich zur
verkorksten Runde zuvor läuft es heute aber besser. Peter ist seinem Gegner über,
der sehr schnell spielt, dafür aber ohne Not die Dame einstellt. Danach spielt
er unverdrossen weiter, als sei nichts gewesen. Peter macht trotzdem den Punkt.
An Brett 3 weicht
der Norweger den prinzipiellen Varianten aus und Michael kennt sich ganz gut aus
in der entstehenden Nebenvariante. Das Figurenspiel auf der b-Linie reicht schon
aus, um auch hier entscheidenden Vorteil zu erzielen.
An Brett 2 wieder
einmal Königsindisch. Ein frühes Remisangebot mußte noch abgelehnt werden, da
Brett 1 und 3 noch nicht klar waren. Aber nachdem an Brett 1 trotz Zeitnot das
remis und somit der Mannschaftssieg gesichert ist, nimmt die Partie an Brett 2
einen skurilen Verlauf. Zu viele passive Züge führen zu Bauernverlust und
einer Schrottstellung. Dann läßt der Norweger wieder Luft in die Stellung. Zum
Schluß entsteht ein extrem kompliziertes Endspiel, das Weiß nicht mehr auf
Gewinn spielen mag. Das norwegische Remisangebot besiegelt den 3 - 1 Endstand.
3 – 1
Tabellenplatz 40, 5 : 7 Mannschaftspunkte
Immerhin der zweite Sieg und das Freilos verjagt. Ein guter Tag.
7. Runde gegen Niederösterreich (2056)
Heute ist es
umgekehrt. An den Bretter 2 – 4 sind wir der underdog. Eine
Mannschaftsniederlage wäre normal. Nach wenigen Minuten beginnt das Drama heute
an Brett 4 bei Peter. In einem Königsinder ist der Springer auf c6 angegriffen
und muss routinemäßig nach e7. Alles schon hunderttausendmal gespielt. Aber
Peter berührt den Springer f6, der muss aber erst im nächsten Zug, und nicht
in diesem Zug ziehen. Zu spät – berührt-geführt, Figurenverlust, Aufgabe,
0-1.
Das war zu leicht.
An Brett 1 hat Ralf-Axel schon wieder einen Stonewall. Ich sehe an seinem
Gesichtsausdruck, dass er Gewinnstellung hat und diese verwerten will. Der
Gegner wehrt sich mit Händen und Füssen, aber Ralf-Axel kann in der Schlüsselstellung
eine Figur opfern und dafür den König erlegen. Unser Brett 1 ist unglaublich
stark. Erst einen halben Punkt abgegeben gegen stärkste Gegnerschaft.
An Brett 3 weicht
Michael einer remis-Variante aus und gerät in eine schlechte Stellung. Alle
erwarten eine lange quälende Endspielmassage, doch der Österreicher fühlt
sich krank und bietet remis an. Die Laune von Michael und dem Rest der
Mannschaft verbessert sich sprunghaft, da dieser halbe Punkt auch hätte weg
sein können.
Zwischenstand also
wieder 1,5 zu 1,5. Und es entscheidet sich wieder an meinem Brett. Schon wieder.
Ich habe einen Paulsen-Sizilianer, den mein Gegner in einen Grivas-Sizilianer
mit Mehrtempo für Schwarz überleitet. Das müßte eigentlich bequemes Spiel
ergeben, aber Schwarz kennt die Pläne nicht richtig und gerät unter Druck. In
einem komplizierten Mittelspiel wird ein Remisangebot ohne Rücksprache mit der
Mannschaft zurückgewiesen. Die Erwartungshaltung der Österreicher ist klar –
alles andere als ein Mannschaftssieg ist eine Enttäuschung. Aber heute habe ich
einen guten Tag, verteidige mich aktiv und erreiche sogar eine bessere Stellung.
In Zeitnot kurz vor der Zeitkontrolle nimmt Weiss sogar noch einen vergifteten
Bauern. Den denkbaren Einschlag prüfe ich nicht, sondern ziehe eine halbwegs
sichere Abwicklung vor. Es macht mir keiner einen Vorwurf. 2-2 ist mehr als wir
vorher erwartet hatten. Aber es war mal wieder mehr drin.
2 – 2
Tabellenplatz 36, 6 : 8 Mannschaftspunkte
8. Runde gegen Dettmann (2004)
HannoBer gegen
Familie Dettmann. Die einzige reine Familien-Mannschaft. Die Dettmänner sehen
alle bißchen knurrig aus, als ob sie sich nicht richtig vertragen. Aber
vielleicht trügt der Schein. An den Brettern 1-3 sind die Dettmänner
favorisiert, ihr Mann an Brett 4 drückt den ELO-Schnitt nach unten. Wir haben
zwar Peter nichts gesagt, der verarztet aber seinen Gegner in der ihm
unnachahmlichen Weise. In Gewinnstellung hätte ich anders fortgesetzt, aber
Peters Zug reichte auch. 1-0.
Aber an den anderen
Brettern stehen wir allesamt verdächtig. An Brett 1 entsteht ein Mittelgambit.
Ralf-Axel gibt hinterher zu, völlig „out-of-book“ gewesen zu sein. Das läßt
sich am Bedenkzeitverbrauch nachvollziehen. Nach 15 Zügen verkehrt
Ralf-Axel in der 30 Sekunden Zeitgutschrift, während der Gegner noch über eine
Stunde auf der Uhr hat. Aber dann geschieht Wunderliches. Die Stellung ist
kompliziert. Und Weiss fängt an nachzudenken. Und findet trotzdem nicht die
richtigen Züge. Die Stellung ist für Weiß trotz des Bedenkzeitpolsters
schnell hinüber und Ralf-Axel fährt den Punkt im Schnellschach-Modus
kaltherzig ein. Zwischenstand 2-0. Jetzt schon eine Überraschung.
Michael verwaltet
bis dahin an Brett 3 eine komisch passive, vermutlich schlechte Stellung. Die geöffnete
c-Linie bekomrmt er nicht mehr unter Kontrolle und seine Figuren nicht mehr vernünftig
koordiniert. Weiß dringt entscheidend ein und gewinnt.
An Brett 2 passieren
wunderliche Dinge. Im Sinne von Männerschach leitet Weiß in Sizilianisch über,
was aber auf der „falschen“ Seite des Brettes Gefahren birgt. Und tatsächlich,
bereits nach wenigen Zügen ist Weiß „out-of-book“ und muss improvisieren.
Aber ich habe eine gute Idee – ich spiele etwas, was mir als Schwarz-Spieler
unangenehm ist, jetzt mal von der anderen Seite. Und tatsächlich, Schwarz hat
auch keine Ahnung wie man die Stellung behandelt. Die weissen Figuren
marschieren am Königsflügel auf und Schwarz gruppiert um, damit die plumpen
Drohungen bedient werden können. Nachdem am Königsflügel alles abgesichert
ist, steht aber ein einsamer Bauer auf der a-Linie herum und wird eingesammelt.
Das müßte es eigentlich schon gewesen sein.
Jetzt ist der
Zwischenstand – mal wieder - 2-1. Der Mannschaftskampf entscheidet sich -
mal wieder - an meinem Brett. Ich habe immer noch einen Mehrbauern und
verpasse dem Dettmann einen Sargnagel auf f6. Mit wenig Zeit und kurz vor der
Zeitkontrolle meine ich abwickeln und mattsetzen zu können. Dazu benötige ich
aber beide Türme – und einen davon kann Schwarz abtauschen. Mist. Danach ist
die Stellung aufgrund der aktiven schwarzen Figuren so kompliziert, dass mir
sogar die Kiebitze bestätigen, dass sie nicht durchgestiegen sind. Ich habe
zwar immer noch einen Mehrbauern, aber die schwarzen Figuren sind so aktiv, dass
von weißem Vorteil keine Rede mehr ist. Nach einigen Verwicklungen ergibt sich
ein Turmendspiel mit Mehrbauern, dass Weiß nicht gewinnen kann. Immerhin, ein
überraschender Mannschaftssieg. Wenn ich auch etwas enttäuscht bin, zum x-ten
mal nicht die Gewinnchancen genützt zu haben.
2,5 – 1,5
Tabellenplatz 26, 8 : 8 Mannschaftspunkte
9. Runde gegen SK 1968 (1994)
Selbst bei einer
Niederlage würden wir unseren Startranglistenplatz auch nach der 9. Runde
verbessern. Vor Beginn der Runde beschliessen wir, dass wir die letzte Runde
selbst bei einem 2‑2‑Angebot spielen wollen. Ralf-Axel hat bei einem
weiteren Sieg Chancen auf einen Brettpreis. Michael möchte seinen Score
verbessern und Peter und Thomas wollen sowieso spielen.
An Brett 1 sitzt
Ralf-Axel ein FM mit einer ELO von 2200 gegenüber. An Brett 2 ist Dänemark am
deutlichsten favorisiert, an Brett 3 und 4 können wir ELO-mäßig mithalten.
Und nach zwei Stunden sieht es eigentlich an allen Brettern recht ordentlich
aus. Ralf-Axel kommt ganz gut aus der Eröffnung gegen die originelle Eröffnungsbehandlung
des FIDE-Meisters. Allerdings hat er viel Bedenkzeit verbraucht. Und leider rächt
sich das heute. In schwieriger Stellung überzieht Ralf-Axel und büßt eine
Figur ein. Nachdem Ralf-Axel 6,5 aus 7 gemacht hat seine erste Niederlage in
diesem Turnier. Also Schwamm drüber.
An den restlichen
Brettern sieht es trotzdem nicht so schlecht aus für das Mannschaftsergebnis.
Michael wählt an Brett 3 erneut einen Colle-Zuckertort und erreicht wieder eine
typische Angriffsstellung. Allerdings will kein taktischer Einschlag richtig
funktionieren und die Initiative verfliegt so langsam mit jedem „normalen“
Zug. Nach ca. 25 Zügen bietet der Gegner remis an was Michael annimmt.
Jetzt kommt es auf
Peter und mich an. Beides Schwarz-Partien – aber beide stehen gut. An Brett 2
kam tatsächlich weitestgehend meine Vorbereitung aufs Brett. Vielleicht tausche
ich zu früh den schwarzfeldrigen Läufer, aber das Gegenspiel gegen die hängenden
Bauern sichert mir bequemes Spiel.
An Brett 4 hat Peter
seinen Gegner überspielt und mehrere feindliche Bauern erobert.
Zwischenzeitlich sind es mal drei Stück. Von weißem Gegenspiel ist nichts zu
sehen. Als auch an Brett 2 von den Dänen remis angeboten wird, beschliessen wir
es anzunehmen in der Hoffnung, dass Peter den Punkt macht und so das 2-2
sichert.
Hätte, hätte,
Fahrradkette- es kam anders als geplant. Zuerst gibt Peter ohne Widerstand den
a-Bauern zurück, dann tauscht er den eigenen e-Bauern gegen den weissen
f-Bauern. Es verbleiben nur noch g- und h-Bauer, die mit dem falschen Läufer
gegen einen quitschlebendigen Springer nur schwer zu verwandeln sind. Trotz
wechselseitiger Fehler gelingt es Peters Gegner den Springer für den g-Bauern
zu opfern, so dass der h-Bauer wegen der falschen Ecke keine Gefahr mehr
darstellt.
1,5 – 2,5 Tabellenplatz 35, 8 : 10 Mannschaftspunkte
Zum Abschluss ein Mannschaftskampf, wie man ihn nicht erleben möchte. Aber
wir sind entspannt, da unser Mannschaftsergebnis insgesamt mit Platz 35 in
Ordnung Ist.
Team HannoBer hat in der folgenden Aufstellung Platz 35 erreicht:
Brett 1:
Ralf-Axel Simon ELO
2113 6,5 aus 8
ELO-Performance 2380 !!
Brett 2:
Thomas Spiess ELO
1980 4,5 aus 9
ELO-Performance 2044
Brett 3:
Michael Hoffmann ELO 1931 3,5 aus 9
ELO-Performance 1895
Brett 4:
Peter Dellos
ELO 1890 4,0
aus 9 ELO-Performance
1832
Unser Mittelstürmer
an Brett 1 hat uns in fast allen Mannschaftskämpfen in die Lage versetzt,
Mannschaftspunkte zu erzielen. Wenn wir an den Brettern 2 – 4 den ein oder
anderen Sieg mehr gemacht hätten, was absolut möglich war, hätte unser Gesamtergebnis
noch besser sein können. In den Runden 2, 5, 7 und besonders in Runde 9
war, ohne rumjammern und übertreiben zu wollen, mehr drin.
Aber viel wichtiger
als das Mannschaftsergebnis (das man im Internet perfekt studieren kann) war das
Mannschaftserlebnis, das wir über 9 Tage erleben und erarbeiten dürften. Dabei
übernahm jedes Mannschaftsmitglied wichtige Funktionen. Und so unterschiedlich
die Charaktere der 4 HannoBerer auch waren, es wurde gestritten, sich vertragen,
analysiert und diskutiert, belehrt und gefragt, gegessen, getrunken und jede
Menge Fußball geschaut. Einer sorgte sich um die Verpflegung, einer um die
Partievorbereitung, einer um die gute Stimmung und einer um die schachliche
Ausbildung der Mitstreiter. Aber das wichtigste war, das alle ehrgeizig waren
und Ihr Bestes geben wollten. Und selbst im Falle von Niederlagen oder verpassten
Chancen wurde niemals rumgemeckert. Das zahlte sich aus, da an den Brettern 2 -
4 immer ein anderer für die verpaßte Chance zuständig war.
Die beiden
Ricklinger ließen die Team-Weltmeisterschaft bei einem Bier auf der
Sonnenterrasse des Spitzhauses mit Panoramablick über Radebeul und Dresden
entspannt ausklingen.
Weltmeister wurde übrigens
Deutschland vor Armenien, die in der letzten Runde noch aufgrund der Brettpunkte
überholt werden konnten.